Christus vor dem Hohepriester by Gerard van Honthorst - ca. 1617 - 272 x 183 cm National Gallery Christus vor dem Hohepriester by Gerard van Honthorst - ca. 1617 - 272 x 183 cm National Gallery

Christus vor dem Hohepriester

Öl auf Leinwand • 272 x 183 cm
  • Gerard van Honthorst - 4. November 1592 - 27. April 1656 Gerard van Honthorst ca. 1617

Dieses große, stimmungsvolle Gemälde stellt einen Moment der Passion dar: Die Verhandlung Christi vor dem Sanhedrin (einer jüdischen Gerichtsinstanz). Honthorst hat eine gedämpfte Farbpalette mit dramatischer Beleuchtung verwendet und unnötige Details eliminiert. Die Komposition ist symmetrisch um die brennende Kerze auf dem zentralen Tisch herum aufgebaut: Die schimmernde Flamme beleuchtet die Gesichter von Christus und dem sitzenden Mann ihm gegenüber, aber nicht viel mehr. Das Bild deutet an, wie der Künstler von den Italienern den Beinamen Gherardo delle Notti (Gerard der Nächte) erhielt. 

Die Identität der sitzenden Figur ist umstritten. Als Joachim von Sandrart, Honthorsts Schüler und Biograf, dieses Gemälde 1628 in der Sammlung Giustiniani in Rom sah, beschrieb er das Motiv als Christus vor Pilatus, dem römischen Statthalter von Judäa. Im 1638 angefertigten Inventar der Familie Giustiniani ist es als Christus vor dem Priester Kaiphas verzeichnet. Ein anderes Argument legt nahe, dass Christus vor Annas steht, einem anderen Priester, vor den Christus zum Gericht gebracht wurde. Christus vor dem Hohepriester scheint ein guter Kompromiss zu sein, obwohl die meisten Kunsthistoriker dazu neigen zu glauben, dass der Bestand der Giustiniani richtig war und Honthorst tatsächlich Christus vor Kaiphas darstellte.

Honthorsts Ankunft in Rom im Jahr 1610 fiel mehr oder weniger mit dem Tod des sehr einflussreichen Caravaggio zusammen. Der von dem niederländischen Künstler entwickelte Stil lehnte sich stark an den des italienischen Meisters und seiner Nachfolger an. Honthorst brauchte nur die Straße vom Palast des Marchese Vincenzo Giustiniani, des wahrscheinlichen Auftraggebers dieses Bildes, zu überqueren, um in der Contarelli-Kapelle der Kirche San Luigi dei Francesi einige Meisterwerke Caravaggios zu sehen. Honthorst lebte in diesen Jahren in Giustinianis Haus, saugte den Stil Caravaggios und anderer Maler in sich auf und gab deren Manier später weiter, als er in seine Heimatstadt Utrecht zurückkehrte.

In Giustinianis Sammlung in Rom befand sich ein Gemälde, das auch Honthorst auf dem Radar gehabt haben muss, als er Christus vor dem Hohepriester malte. Luca Cambiaso malte einen von zwei Kerzen beleuchteten Christus vor Kaiphas, der auf die Zeit nach 1570 datiert werden kann und sich heute in Cambiasos Heimatstadt Genua befindet (Museo dell'Accademia Ligustica di Belle Arti). Der Utrechter Maler muss motiviert gewesen sein, mit den großen italienischen Meistern zu konkurrieren. Das Ergebnis ist ein Bild, das in seiner frappierenden Schlichtheit wohl erfolgreicher ist als Cambiasos etwas gedrängte Darstellung dieses entscheidenden Moments im Leben Christi.

- Clinton Pittman

P.S. Hier kannst du mehr über die Caravaggisti erfahren, Künstler, die Caravaggios einzigartiger Malweise folgten.