Porträt eines Mannes by Abraham Wolf Mendelson - 1934 Jüdisches Historisches Institut Porträt eines Mannes by Abraham Wolf Mendelson - 1934 Jüdisches Historisches Institut

Porträt eines Mannes

Bleistift auf Papier •
  • Abraham Wolf Mendelson - 1913 - 1942/3 Abraham Wolf Mendelson 1934

Das Porträt der Büste eines jungen Mannes ist aus drei- und viereckigen Elementen aufgebaut, die in unterschiedlichen, unruhigen Rhythmen angeordnet sind. Scharf geschnittene geometrische Figuren, die mit Hell-Dunkel-Kontrasten dargestellt sind, verleihen der Komposition Dynamik und lassen das zweidimensionale Porträt wie einen Klumpen aussehen. Eine perspektivische Ansicht des Raumes wird durch drei scharfe Dreiecke im linken Teil der Zeichnung erreicht, die das Gesicht des Mannes einerseits unterstützen, andererseits durchbohren. 

Wer ist dieses Abbild voller Melancholie und Zweifel, das jeden Moment wie ein Spiegel in tausend Stücke zerbrechen kann? Wurde es in Eis gehauen, oder aus Stoff zusammen genäht um es dann in der ärmlichen Schneiderwerkstatt seines Erzeugers zurückzulassen?

Abraham Wolf Mendelson (Lublin 1913 - Majdanek 1942 oder 1943) stammte aus einer orthodoxen Lubliner Familie. Sein Vater war ein armer jüdischer Schneider. Auf dem späteren Mendelson-Gemälde Vater und Sohn von 1938 präsentierte sich der Künstler im Vordergrund mit einer Palette von Gemälden in der Hand während im Hintergrund eine Figur seines Vaters bei der Arbeit zu sehen war. Der junge Mann ist zu seinem Vater nach hinten gewandt. Da er den Beruf des Künstlers wählte, musste er sich gegen die Tradition des Judentums stellen, in der er aufgewachsen war.

Die Darstellungsweise in Porträt eines Mannes und Vater und Sohn mit dem leicht geneigten Kopf und dem starken Helldunkel lässt keinen Zweifel an der Zuschreibung aufkommen. Beide Kunstwerke wurden vom selben Künstler herausgegeben. Darüber hinaus wirft die physische Ähnlichkeit der Männer bezüglich des Titels der Zeichnung viele Fragen auf. Die Tatsache, dass er die Zeichnung Porträt eines Mannes und nicht Selbstporträt betitelte, steht bei Mendelson für die Situation der zweiten Generation jüdischer Künstler in Polen, die zwischen dem Erbe des Judentums und europäischen Avantgarde-Tendenzen hin- und hergerissen waren. Dabei entsteht durch den geschlossenen Festkörper in Kombination mit einer zweidimensionalen Zeichnung Spannung, die Ausdruck eines Identitätskonflikts zwischen Tradition und Akkulturation ist; er verweist uns auf Erich Fromms Die Furcht vor der Freiheit.

Wir präsentieren die heutige Zeichnung dank des Jüdischen Historischen Institutes in Warschau und laden Sie ein, einen Blick auf die Sammlungen jüdischer Künstler auf der Website des Delet-Portals (delet.jhi.pl) zu werfen. 

Zuzanna Benesz-Goldfinger, Kunstabteilung des JHI

P.S. Sieh dir hier die erstaunlichen Farben in den Gemälden der jüdisch-indischen zeitgenössischen Künstlerin Siona Benjamin an!