Egon Schiele
Du musst wissen, dass meine Liebe zu Egon Schiele unendlich ist. Sieh dir dieses Paar an, das in einer zärtlichen und leidenschaftlichen Umarmung sitzt. Wer sonst hat die Intimität und Nähe der Liebenden auf so diskrete und zugleich voyeuristische Weise dargestellt?
Diese Arbeit ist die entscheidende Vorstudie für ein Ölgemälde mit dem gleichen Titel. Schiele erklärte in dieser Gouache seine Wahl der neuartigen und unerwarteten Art und Weise, wie er das sich umarmende Paar in seinem Gemälde darstellen würde: Sie werden von einem höchst ungewöhnlichen Standpunkt aus zu sehen sein, mit dem sich einmischenden Rücken des Mannes zum Betrachter.
Hier hat sich der Künstler selbst abgebildet. Zum ersten Mal seit 1911 hat er sich auf einer großen Leinwand nackt gezeigt. Eine der Ursachen für diese Einstellung der Akt-Selbstdarstellung ist das tiefe Trauma, das dem Künstler 1912 in Neulengbach zugefügt wurde, als er wegen Sittenvergehen ins Gefängnis kam. Das Modell für die weibliche Figur hingegen ist nicht Schieles Ehefrau Edith; sie hatte eine andere Figur.
Als Schiele die Gouache Umarmung malte und anschließend das Ölbild vollendete, blieb ihm nur noch etwa ein Jahr bis zu seinem Tod durch die Spanische Grippe im Oktober 1918. Seit er 1915 in die österreichische Armee eingezogen worden war, wurde er zu Versorgungseinheiten abkommandiert, was ihn von der Front fernhielt und ihm Zeit zum Malen verschaffte. Im Herbst 1917 wurde er, wie er gehofft hatte, an das Kaiserliche Kriegsmuseum in Wien versetzt. Mit noch mehr Zeit für die Atelierarbeit begann er seine späte Serie von Figurenbildern. Sein großer Beitrag zur Wiener Sezession 1918, der praktisch einer Retrospektive gleichkam, erwies sich als der große Triumph seiner Karriere. Klimt war in jenem Jahr gestorben, und nun galt Schiele weithin als sein Nachfolger als führender progressiver Künstler Wiens. Schiele wurde nur 28 Jahre alt.
P.S. Hier kannst du mehr über Schieles Kunst am Rande der Erotik und Pathologie lesen.