Der Schneider ("Il Tagliapanni") by Giovanni Battista Moroni - circa 1570 - 99,5 x 77 cm National Gallery Der Schneider ("Il Tagliapanni") by Giovanni Battista Moroni - circa 1570 - 99,5 x 77 cm National Gallery

Der Schneider ("Il Tagliapanni")

Öl auf Leinwand • 99,5 x 77 cm
  • Giovanni Battista Moroni - 1520/24 - 05. Februar 1579 Giovanni Battista Moroni circa 1570

"Der Schneider" wurde um 1570 von dem Künstler Giovanni Battista Moroni gegen Ende seiner Karriere gemalt. Giovanni Battista Moroni ist ein italienischer Maler der Spätrenaissance, der vor allem für seine Porträts und Altarbilder bekannt ist. Dieses Porträt zeigt uns einen Schneider (oder besser gesagt einen Stoffhändler), der vor einer Bank steht, auf der ein dunkles Tuch liegt. Der Schneider hält eine Schere in seiner rechten Hand und das Tuch mit seiner linken Hand. Sein Gesicht und sein durchdringender Blick sind dem Betrachter zugewandt, was den Eindruck erweckt, dass die Aktivität des Schneiders durch die Anwesenheit des Betrachters unterbrochen wurde.

Was ist das Besondere an diesem Porträt? Die Qualität des Gemäldes ist definitiv hoch: Die Kleidung des Schneiders wurde mit einem hohen Maß an Präzision gemalt und die warmen Farben verleihen dem Porträt ein Gefühl von Intimität. Darüber hinaus ist das Porträt auch sehr realistisch: Der Dargestellte hat einen ausdrucksstarken Blick und wird bei der Arbeit gemalt, als wollte Moroni den Schneider so präsentieren, wie er tatsächlich war. Dies ist typisch für Moronis Werk: Der Künstler porträtierte viele seiner Motive "aus der Natur" heraus, d.h. er schuf realistische Porträts, die den Dargestellten auf natürliche Weise darstellen.

Keines der oben erwähnten Merkmale, so wichtig sie auch sind, macht dieses Porträt jedoch wirklich einzigartig. Das Besondere an diesem Porträt ist die Wahl des Motivs: Ein Schneider! Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die meisten Maler nur Mitglieder der Aristokratie, der Kirche oder der sozialen und finanziellen Eliten dargestellt. Dies ist eines der ersten Porträts in der westlichen Kunst, in denen ein Mitglied der Arbeiterklasse gemalt wird und die gleiche Würde wie die Mitglieder der High Society genießt. Dem Schneider geht es relativ gut- wir können das an seinen eleganten und kunstvollen Kleidern sowie dem goldenen Ring mit einem Rubin an der rechten Hand ablesen- und er scheint sich wohl zu fühlen und stolz auf sein Handwerk zu sein oder zumindest ist dies das Gefühl, was sein Blick, seine Haltung und sein Aussehen dem Betrachter vermitteln: Dennoch ist dies eine sehr unkonventionelle Themenwahl für einen Künstler.

Obwohl Moroni zu Lebzeiten relativ bekannt war, genoss er nicht den Erfolg, den er wohl verdient hatte. Der Überlieferung nach ist dies hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass Giorgio Vasari (der erste italienische Kunsthistoriker und Autor von "Leben der bedeutendsten Maler, Bildhauer und Architekten") nicht nach Bergamo gereist ist, wo die meisten von Moronis Gemälden gefunden wurden. Daher wurde Moroni nicht in Vasaris Buch aufgenommen, was sich negativ auf Moronis spätere Anerkennung auswirkte. Obwohl im geringerem Maße, ähnelt Moronis Schicksal in gewisser Weise dem von Caravaggio. Erfolg zu Lebzeiten des Künstlers, Vergessenheit nach dem Tod des Künstlers, erneutes Interesse und kritisches sowie öffentliches Ansehen Jahrhunderte später. Als ob Zufall (z.B. der Ausschluss von Vasari) und wechselnde Moden und Geschmäcker in der Kunstwelt irgendwie ihre Tricks spielten, bis diese Künstler mit neuen Augen gesehen werden konnten.

Lara