Der Schildkrötenerzieher by Osman Hamdi Bey - 1906 - 221.5 × 120 cm Pera Museum Der Schildkrötenerzieher by Osman Hamdi Bey - 1906 - 221.5 × 120 cm Pera Museum

Der Schildkrötenerzieher

Öl auf Leinwand • 221.5 × 120 cm
  • Osman Hamdi Bey - 30. Dezember 1842 - 24. Februar 1910 Osman Hamdi Bey 1906

Dieses Gemälde präsentieren wir euch auf Vorschlag eines unserer Fans, Kutlay aus der Türkei. Vielen Dank für den Vorschlag und die Hilfe mit den Quellen! :)

Dieses Gemälde, 1906 erschaffen, ist wahrscheinlich das teuerste türkische Gemälde überhaupt. 2004 wurde für $3,5 Mio. verkauft und wird zurzeit im Pera-Museum in Istanbul ausgestellt. Osman Hamdi Bey schuf das Gemälde zu einer Zeit, die von großem gesellschaftlichen und politischen Aufruhr im Osmanischen Reich geprägt war. Bey war der Begründer moderner Archäologie in der Türkei. Er arbeitete hart um das Archäologische Museum in Istanbul zu einem der meist respektierten Museen der Welt zu machen. Darüber hinaus war er berühmt für seine Werke als Kunstexperte und wegweisendem Maler.

Das Gemälde stellt einen älteren Mann in traditionellen osmanischen Kleidern dar, welche der Einführung des Fez und der Verbreitung westlicher Bekleidung einhergehend mit den Tanzimat Reformen der Mitte des 19. Jahrhunderts zeitlich vorausgehen. Er hält eine traditionelle Nay Flöte in den Händen, mit welcher er versucht, die Schildkröten zu seinen Füßen zu "trainieren". Der Schauplatz des Gemäldes ist ein Raum einer echten Moschee - die Grüne Moschee in Bursa, Türkei. Der alte Mann steht nahe einem Fenster, welche die einzige Lichtquelle im Raum ist. Bey persifliert die langsamen und ineffektiven Versuche das Osmanische Reich zu reformieren indem er sie mit dem Versuch dieses anachronischtischen historischen Charakters die Schildkröten zu trainieren vergleicht.

Hier ist wohl ein kurzer Geschichtsunterricht angebracht. Eine der Perioden, die das Osmanische Reich durchlief, ist heute bekannt als die Tulpenzeit (18. Jahrhundert). Diese Periode ist wichtig, da in dieser Zeit der Anfang des Endes des Reichs begann. Der Padischah versuchte das Land zu verwestlichen indem er kommerzielle und kulturelle Beziehungen zu Europa aufbaute; die resultierenden verschwenderischen und luxuriösen Feierlichkeiten, die nur für Gouverneure in Spitzenpositionen abgehalten wurden, führten jedoch zum totalen Versagen dieser Bemühungen. An diesen Veranstaltungen wurden Schildkröten vorgeführt, die von einem Trainer erzogen waren eine Kerze auf ihrem Panzer zwischen den Tischen herumzutragen - nach der Rebellion 1730 wurde dies zur Repräsentation orientalischer Überreste des farbenprächtigen Osmanischen Reiches. Der alte Mann, der diese nutzlosen Tiere zu "lehren" oder "trainieren" versucht, hat seine Anstrengungen (oder Lehrungen) komplett aufgegeben. Er scheint erschöpft zu sein von seinen Versuchen das Unmögliche möglich zu machen. Er stellt eine östliche Figur dar, die Veränderung herbeibringen will, aber letztendlich feststellt, dass es unmöglich ist die derzeitige Situation innerhalb der türkischen Gesellschaft zu verändern.

Obwohl das Gemälde zur Entstehungszeit nicht weit gezeigt oder verstanden worden war, erreichte es größere Bedeutung in den folgenden Jahrzehnten, da es die Jungtürkische Revolution von 1908 prophezeite, die der direkten autokratischen Herrschaft des Sultans ein Ende machte (dann ersetzt durch das Regime des Jungtürkischen Triumvirats nach dem coup d'état 1913) und die Vorraussetzungen für den Eingang des Reichs in den Ersten Weltkrieg auf Seiten der Zentralmächte schuf - was zu seiner darauffolgenden Aufteilung führte.