

John Singer Sargent
John Singer Sargent war ein US-amerikanischer Künstler, der aufgrund seiner Darstellungen der wohlhabenden Gesellschaft zu Zeiten Eduards VII. als „führender Porträtmaler seiner Generation“ betrachtet wird. In seiner Schaffenszeit entstanden um die 900 Ölgemälde und mehr als 2000 Aquarelle sowie zahlreiche Skizzen und Kohlezeichnungen. Sein Œuvre dokumentiert seine Reisen auf der ganzen Welt, von Venedig nach Tirol, Korfu, dem Nahen Osten, Montana, Maine und Florida. Seine Eltern waren Amerikaner, aber er erhielt seine Ausbildung in Paris, bevor er nach London zog. Sargent genoss international Anerkennung als Porträtmaler, wenngleich er – auch von Kritikerseite – nicht unumstritten war; sein „Porträt der Madame X“, das er schon früh beim Pariser Salon einreichte, sollte eigentlich seine Position als Gesellschaftsmaler festigen, doch stattdessen führte es zu einem Skandal. Sein Werk war von Anfang an von bemerkenswerter technischer Gewandtheit geprägt, vor allem in Bezug auf seine Fähigkeit, mit dem Pinsel zu zeichnen, wofür er später große Bewunderung, wegen einer vermeintlichen Oberflächlichkeit aber auch Kritik erntete. Seine Auftragsarbeiten orientieren sich konsistent an den klassischen Konventionen der Porträtmalerei, während seine informellen Studien und Landschaftsbilder eine Vertrautheit mit dem Impressionismus offenbaren. In seinem späteren Leben äußerte Sargent Bedenken hinsichtlich der akademischen Porträtmalerei und widmete sich verstärkt der Wand- und Pleinairmalerei. Er verbrachte fast sein ganzes Leben in Europa. Bis ins späte 20. Jahrhundert hinein waren Gesellschaftsmaler wie Sargent von Kunsthistorikern traditionell ignoriert worden. Zu Zeiten, in denen die Kunstwelt vor allem den Impressionismus, Fauvismus und Kubismus im Blick hatte, praktizierte Sargent seine eigene Form des Realismus, in der er auf brillante Weise auf Velázquez, Van Dyck und Gainsborough verwies. Sein mühelos wirkendes Paraphrasieren der Meister in zeitgemäßer Manier hatte eine ganze Reihe von Auftragsarbeiten von beeindruckender Virtuosität zur Folge. Dennoch rief sein Werk zu seinen Lebzeiten bei manchen seiner Kollegen immer wieder negative Reaktionen hervor: Camille Pissarro schrieb, er sei kein enthusiastischer, sondern eher ein geschickter Künstler, und Walter Sickert veröffentlichte einen satirischen Artikel mit der Überschrift „Sargentolatry“. Als er starb, galt er als Anachronismus, als Relikt des Gilded Age, den Anschluss verloren an die künstlerischen Stimmungen in Europa nach dem Ersten Weltkrieg. Elizabeth Prettejohn vermutet, dass dies zum Teil dem Aufstieg des Antisemitismus und der daraus entstandenen Intoleranz gegenüber „Zelebrierungen jüdischen Wohlstands“ geschuldet war. Die für sein Werk charakteristischen exotischen Qualitäten sollen bei der jüdischen Kundschaft auf Gefallen gestoßen sein, die er ab den 1890er-Jahren malte. Dies wird vor allem in seinem Porträt Almina, Tochter von Asher Wertheimer (1908) sichtbar, auf dem die Gemalte ein persisches Kostüm und einen perlenbesetzten Turban trägt und auf einer indischen Tanpura zupft – allesamt Symbole, die Sinnlichkeit und das Mysteriöse vermitteln sollen. Falls Sargent dieses Porträt nutzte, um Sexualität und Identität zu untersuchen, dann wohl durchaus zur Zufriedenheit des wohlhabenden jüdischen Kunsthändlers und Vaters der Gemalten, Asher Wertheimer. Sargents harschester Kritiker war der einflussreiche englische Kunstkritiker Roger Fry von der Bloomsbury Group, der bei der Sargent-Retrospektive in London im Jahr 1926 Sargents Werk einen Mangel an ästhetischer Qualität bescheinigte: „Wundervoll in der Tat, aber am meisten wundert, dass dieses Werk je mit dem eines Künstlers verwechselt worden ist.“ In den 1930er-Jahren führte Lewis Mumford den Chor der strengsten Kritiker an: „Sargent blieb bis zuletzt ein Illustrator... selbst die scheinbar geschickteste Ausarbeitung und der schärfste Sinn für Effekt können nicht über die Leere von Sargents Geist hinwegtäuschen oder über die verächtliche und zynische Oberflächlichkeit eines gewissen Teils seiner Ausführung.“ Diese Abwertung von Sargents Schaffen wird zum Teil auch seinem ständigen Leben im Ausland zugeschrieben, wodurch er weniger amerikanisch schien in Zeiten des Emporkommens einer „authentischen“, gesellschaftsbewussten amerikanischen Kunst wie der des Stieglitz-Kreises und der Ashcan School. Nachdem er so lange bei den Kritikern in Ungnade gefallen war, war sein Ruf ab den 1950er-Jahren immer besser geworden. In den 1960er-Jahren wurde seine Reputation dank der Wiederentdeckung viktorianischer Kunst und einer neuen Sichtweise der Forschung auf sein Werk gestärkt. Sargent wurde immer wieder in großformatigen Ausstellungen präsentiert, zum Beispiel 1986 in einer Retrospektive im Whitney Museum of American Art und 1999 im Zuge einer Wanderausstellung im Museum of Fine Arts in Boston, in der National Gallery of Art in Washington und in der National Gallery in London.